Archive for April 2010

Wie wird man deutscher Staatsbürger?
30. April 2010

Oft wird ein Bogen um das Wort „Ausländer“ gemacht. Es gilt als ausgrenzend. „Alle sind Ausländer. Fast überall.“ Das ist richtig. Umgekehrt gilt: Fast nirgends hat man die Rechte und Pflichten eines Inländers.

Dabei wird das Wort „Ausländer“ im rechtlichen Sinn sicher seine Bedeutung behalten. Alle diejenigen, die nicht die türkische Staatsbürgerschaft haben, sind in der Türkei Ausländer. Dagegen wird man schwerlich etwas einwenden können. Und dasselbe gilt sinngemäß für alle anderen Länder der Erde.

Umgekehrt gilt: Alle diejenigen, die die deutsche Staatsbürgerschaft haben, sind Deutsche.

Welche Voraussetzungen gelten, um die deutsche Staatsbürgerschaft zu erlangen? Darüber und über eine Einbürgerungsfeier berichtet das Integrationsprtal aus Sachsen-Anhalt:

Um die deutsche Staatsbürgerschaft zu erlangen, mussten die Ausländer einen Integrationskurs und den
Einbürgerungstest erfolgreich absolvieren. Neben der Voraussetzung, die deutsche Sprache in Wort und
Schrift zu beherrschen, werden ein gesicherter Lebensunterhalt und Straffreiheit von den Bewerbern verlangt.
Von den neuen deutschen Staatsbürgern wurden auch Kenntnisse über Rechts- und Gesellschaftsordnung und
Lebensverhältnisse in Deutschland gefordert. Bei der Kreisvolkshochschule belegten sie entsprechende Kurse. Jutta Kolba von der
Staatsangehörigkeitsbehörde des Ordnungsamtes begleitete die Migranten über Jahre bei der Integration in Deutschland und freute sich
gestern mit ihnen über die Urkunden. Diese ermöglichen es nämlich, bei den zuständigen Stellen einen bundesdeutschen Personalausweis
und einen Reisepass zu beantragen. Damit erhalten die Männer und Frauen alle Rechten und Pfl ichten eines Bürgers der Bundesrepublik.
Die deutsche Staatsangehörigkeit haben nun : Kenan Dzindo, Jora Harounan, Norvart Vartanians, Josimara De Macedo-Karweil sowie Johan
Semke, dessen Sohn die Urkunde stellvertretend für seinen kranken Vater entgegen nahm.

VS_22.4._einbuergerung_altmark.pdf (application/pdf-Objekt).

Integration durch Gedichte: Goethe in Kreuzberg
30. April 2010

Der Theaterbesucher Johannes Hampel berichtet:

Jeder aus der älteren Generation kennt wohl noch das Auswendiglernen von Gedichten als unangenehme Fleißaufgabe. Ganz anders, frischer, überzeugender macht es die Kreuzberger Fanny-Hensel-Grundschule! Dorthin gehen vor allem arabischstämmige Kinder, ferner auch türkischstämmige und einige wenige aus anderen kulturellen Herkünften. Heute waren 7 Balladen und lyrische Gedichte von Goethe angesagt. Die Kinder zauberten daraus eine Art 5-Akt-Theater-Aufführung. Mit Kostümen, mit bunten, selbstgemalten Bühnenbildern.

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Der Zauberlehrling, das Hexenlied aus dem Faust, der Erlkönig, das Heidenröslein, Gefunden, Glückliche Fahrt, der Fischer wurden angesagt. Es gab einen Moderator, der mit vorbereiteten Reden durch das Programm führte. Abgeschlossen wurde das Ganze durch einen aktuellen Rap in deutscher Sprache: “Wenn ich reim’ …”

Die stolzen Eltern saßen mit hohen Augenbraunen gelassen da und freuten sich über ihre Kinder.

Der Rezensent bekennt, dass ihm an manchen Stellen ein Schauer über den Rücken rieselte, insbesondere zum Schluss, als es hieß:

halb zog sie ihn,
halb sank er hin,
und war nicht mehr gesehn.

Die Gedichte erklangen in guter, geschulter, hochdeutscher Aussprache, so dass ich jedes einzelne Wort verstehen konnte. Vorbildlich! Wenn jedes Kind in Berliner Grundschulen an solchen Aufführungen beteiligt wäre, brauchten wir uns über mangelnde Deutschkenntnisse wahrlich keine Gedanken zu machen. Die Fanny Hensel macht es vor!

Besonders spannend fand ich den letzten Beitrag – einen selbstverfertigten Rap:

“Denn immer wenn ich reim, fällt die Last von mir, und ich fühle mich auf einmal frei …”

Das war eigentlich ein Hymnus auf die weltbewegende, auf die befreiende, auf die integrierende Kraft der Dichtung. Ich meine das ernst: Alle Völker, alle Jahrtausende seit Homer, seit den Barden, seit dem Gilgamesch-Epos haben Poesie, haben die metrisch gebundene Sprache als herausragendes Merk-, Bildungs- und Wissenreservoir genutzt. Erst seit einigen Jahrzehnten geht dieses Wissen (vielleicht etwa dank der akademisch-wissenschaftlichen Didaktik und Methodik?) zunehmend verloren.

Aber die Didaktiker werden dieses uralte Wissen der Völker wiederentdecken! Sie, all die Methodiker, Kritiker, Politiker, Migrationsexperten und Kritikaster sollten zur Fanny-Hensel-Grundschule kommen und diese Aufführung betrachten, bewundern und sich verzaubern lassen.

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Zum Schluss ging ich artig und dankbar auf die Leiterin der Produktion, Frau Neubert zu. “Ich bin begeistert, damit haben die Kinder und Sie einen Traum von mir wahr gemacht! Danke!”, sage ich. “Dabei haben wir alles selbst gemacht,” bekomme ich zur Antwort. Vortrefflich gesagt!

Aus Meeresstille zur glücklichen Fahrt!

Bezirksparteitag und Realität – ist das zweierlei?
30. April 2010

Als guter Redner wurde Berlins Bürgermeister in einer ZDF-Sendung gelobt. Dies berichtet Thilo Maluch in der heutigen WELT:

Wowereit sah jedenfalls kein spezifisch islamisches Phänomen, denn Probleme mit Fanatikern gebe es schließlich in allen Religionen. Er verwies auf erzkonservative Katholiken und orthodoxe Juden, die ein ebenso problematisches Frauen- und Familienbild hätten. „Alle Demokratinnen und Demokraten“ sollten Intoleranz bekämpfen und Grundwerte leben, forderte der Sozialdemokrat. Die halbherzigen Versuche sein offensichtliches Desinteresse am Thema zu kaschieren, endeten oft in sinnentleertem Wortbrei aus Floskeln und Phrasen.

„Das war eine wunderbare Rede für ihren nächsten Bezirksparteitag, aber es entspricht nicht der Realität“, meinte Henryk M. Broder.

viaLate Night „Maybrit Illner“: Kreuz, Kopftuch und die Kruzi-Türkin Aygül Özkan – Nachrichten Fernsehen – WELT ONLINE.

Regionale Integrationskonferenzen kommen
26. April 2010

Der Ausdruck „die neuen Deutschen“ setzt sich durch! Letzter Beleg: Zur Eröffnung der Integrationskonferenz ihrer Stadt Hattingen/Ruhr sagte Bürgermeisterin Goch am 24.04.2010: „Viele Herausforderungen der Zukunft werden wir nur meistern können, wenn es gelingt die Migranten, die bei uns leben, in unsere Gesellschaft so einzugliedern, dass sie ausgestattet mit guter Bildung, mit guten Schulabschlüssen und Qualifikationen zu unserem gemeinsamem Wohlstand beitragen. Ich betone die Alternativlosigkeit von Integration so deutlich, um klarzustellen, dass weder wir, die Ursprungsdeutschen noch die neuen Deutschen, es sich erlauben können, auf Integration zu verzichten.“

viaHattingen: Integrationskonferenz erfolgreich Großer Andrang – Plätze reichten… – Pressemeldungen und Nachrichten aus NRW.

Mit jedem Schritt wächst der Mut
23. April 2010

Blogger Johannes Hampel schreibt: Ein sehr gutes Portrait in Wort und Bild von der designierten Ministerin Aygül Özkan finde ich in dem Buch “Wir haben Erfolg! 30 muslimische Frauen in Deutschland” von Kerstin Finkelstein.

“Na, das Buch geht doch sicher weg wie die warmen Semmeln! Nichts ist so erfolgreich wie Erfolg”, scherzte ich, als ich die Autorin kürzlich bei der recht ausführlichen ADFC-Mitgliederversammlung im Gebäude der Berliner Zeitung wiedertraf. “Die Leute brauchen Erfolgsgeschichten, keine Katastrophenmeldungen. So ist das im Mediengeschäft!”, ergänzte ich eigensinnig. “Es gibt noch reichlich Exemplare …”, bekam ich zur Antwort.

Wie auch immer: Die Lebensgeschichte ist sehr spannend zu lesen. Sowohl Aygül, die später das Abitur mit 1,6 machte, wie auch ihre ältere Schwester bekamen trotz sehr guter Grundschulnoten keine Gymnasialempfehlung. Hier setzte sich aber der Vater durch. Er brachte die Töchter aufs Gymnasium, ließ ihnen Freiheiten, achtete aber streng darauf, dass immer Hausaufgaben gemacht wurden. Auffallend finde ich, eine wie große, positive und entscheidende Rolle der Vater spielte. Ein guter Vater kümmert sich, ist streng, lässt Freiräume. Er bringt seinen Kindern Vertrauen entgegen, setzt ihnen aber auch klare Grenzen. Er kümmert sich. Das halte ich für vorbildlich.

Am Schluss sagt Aygül Özkan: “Wenn man Träume hat, soll man ihnen entschlossen nachgehen. Mit jedem Schritt wächst der Mut.”

Kerstin E. Finkelstein: “Wir haben Erfolg!” 30 muslimische Frauen in Deutschland. Vorwort von Seyran Ates. Fackelträger Verlag Köln, 2008. 223 Seiten, 14,95 Euro. Hier: S. 184-190

Neue Ministerin Özkan: “Türken, bringt euch mehr ein!” – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Politik

Integration? Nein danke!
23. April 2010

Unter diesem Motto hat sich eine Initiative gebildet, die Integration ablehnt. Warum? Die taz berichtet:

Was bedeutet der Begriff Integration eigentlich wirklich? Er bedeutet, dass Einwanderer ihre eigene Sprache und Herkunft als minderwertig und die deutsche Lebensweise als Norm begreifen sollen. Er diffamiert migrantische Communities als Parallelgesellschaften Unberechenbarer, denen die Schuld an Kriminalität, am Niedergang der Sozialsysteme und an schlechten Pisa-Ergebnissen zugeschrieben wird. Und wer als integriert erscheint, wird dann eben als terroristischer Schläfer angesehen.“

viaEinwanderungsgesellschaft: Raus aus der Resignation – taz.de.

„Auch deutsche Familien an die Hand nehmen“
23. April 2010

Unter dem Vorzeichen des Sozialen sieht Berlins SPD das Thema Integration. Dazu wird sie eine Reihe von Veranstaltungen abhalten. Der Tagesspiegel berichtet heute:

Um Integration – so beschrieb Wowereit die Perspektive seiner Partei – gehe es nicht nur Einwanderern. Eine alleinerziehende Mutter mit vier Kindern in Marzahn könne sich ähnlich ausgegrenzt fühlen wie eine türkische Familie oder eine Rentnerin, deren Rente kaum zum Leben reicht. Dass Integration für viele Einwanderer zum Problem geworden sei, habe mit der sozialen Entwicklung in Deutschland zu tun. „Das eigentliche Problem ist die soziale Schieflage“, sagte Wowereit.

via„Zukunftwerkstatt Integration“: Auch Provokationen sollen der Integration dienen – Landespolitik – Berlin -23.04.2010 –  Tagesspiegel.

Die Tür ist offen: Aygül Özkan wird Sozialministerin
23. April 2010

„Erst geben, dann nehmen“,  dies ist das persönliche Motto Aygül Özkans. Ein weiterer Beweis dafür, dass die Deutschen mit Zuwanderungsgeschichte, die Frauen und die Jüngeren, die Neumitglieder erfolgreicher darin sind, den Sinn von Politik zu erklären. Oder besser: vorleben. Die neuen Deutschen sagen dazu: „Klasse. Danke. Viel Glück im neuen Amt! Und bitte mehr davon!“ Hier ein Auszug der offiziellen Erklärung (Fettdruck durch dieses Blog):

Niedersachsen stellt Weichen für 2020 – Änderungen in vier Ministerien

Aygül Özkan wird neue Ministerin für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration. Sie folgt auf Mechthild Ross-Luttmann. Die 38jährige Juristin ist Mitglied der Hamburger Bürgerschaft und stellvertretende Landesvorsitzende der CDU in Hamburg. Ihre Eltern stammen aus der Türkei. Die Expertin für Wirtschaft, Arbeit und Integration ist Muslimin. In die CDU ist sie 2004 nach eigenem Bekunden gerade wegen des „C” eingetreten. Özkan: „Die CDU steht für Werte wie Familie, Verantwortung und Zusammenhalt, gesellschaftliches Engagement mit dem Gedanken der christlichen Nächstenliebe, Unterstützung von Schwachen und der Familie. Das sind Werte, die ich auch als Muslimin lebe.” Ihr Lebensmotto: „Erst geben, dann nehmen.” Özkan versteht Integrationspolitik als Querschnittsaufgabe. Deshalb ist ihr zentrales Anliegen, Integrationspolitik mit Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik zu verbinden. „Jugendliche mit Migrationshintergrund sind die Arbeitnehmer von morgen und eine große Chance für unser Land.”

viaJohannes Hampels Blog » Blog Archive » Na endlich – Özkan erzählt uns die CDU glaubwürdig.

Warum die kalte Schulter?
22. April 2010

Auf wesentliche Mentalitätsunterschiede zwischen deutscher und türkischer Staatsauffassung macht Hakan Turan aufmerksam. Er fragt, warum die deutschen Türken löblichen Veranstaltungen zu Themen wie Integration, Islam usw. meist die kalte Schulter zeigen, und sieht in jahrhundertelang geprägter Ohnmacht gegenüber der Obrigkeit eine Hauptursache dafür. Turan schreibt in seinem Blog am 17.04.2010:

Dieses Ohnmachtsbewusstsein ist mehr als eine reine Opferhaltung. Es ist Ausdruck eines tief verwurzelten Obrigkeitsdenkens, in dem der Staat und die mediale Öffentlichkeit eine Art transzendente Sphäre darstellen, die von oben herab jederzeit Segen, oder Sturm und Hagel senden kann, die umgekehrt für uns jedoch sowohl unerreichbar, als auch unveränderbar ist – ganz wie die ewige, gottähnliche translunare Sphäre jenseits des Mondes in antiken und mittelalterlichen Kosmologien. Ewig und unveränderlich ist diese Sphäre – so wie auch der türkische Staat seit der Gründung der Republik seinem Volk beigebracht hat, dass der Bürger angesichts des Staates annähernd unbedeutend ist. Zugespitzt könnte man die kritische Seite des Verhältnisses des türkischen Staates zu seinen Bürgern so beschreiben: Wer sich in der Öffentlichkeit assimiliert genug zeigt, braucht keine Angst zu haben – wer jedoch nicht in das vorgeschriebene Schema passt und öffentlich seine konservative, kurdische, christliche oder jüdische Seite darstellt, riskiert es zum inneren Feind erklärt zu werden, der das System bedroht und mit allen Mitteln des Staates zurechtgewiesen oder bekämpft werden muss.

viaHakan-Turan-Blog.

Schafft Gemeinsamkeit als „neue Deutsche“! Holt sie raus aus dem kulturellen Nirwana!
10. April 2010

Mehr oder weniger Geld für Integration? Badr Mohammed (CDU), der Politiker und interkulturelle Manager, sprach sich bei einer Veranstaltung des CDU-Ortsvereins Kreuzberg-West am 24.03.2010 eindeutig für eine nachhaltige, großzügige Finanzierung der Integrationspolitik aus. “Wir müssen wesentlich mehr Geld in die Hand nehmen.” Integrationspolitik sei eine Kernaufgabe für die nächsten Jahre und Jahrzehnte. Nur dann könne es gelingen, die neuen Deutschen zu schaffen.

“Die einheimischen Deutschen und die zugewanderten Deutschen – sie alle zusammen bilden die neuen Deutschen. Nur im Bewusstsein dieser Gemeinsamkeit kann echte Integration gelingen.”

Es führt nicht weiter, wenn man sagt: Du bist Russe, du bist Türke, du bist Deutscher. Nein, es gilt, eine neue, bewegliche, sich weiterentwickelnde Identität als “neue Deutsche” auszubilden. Diese neuen Deutschen mit kurdischen, armenischen, assyrischen, türkischen … Wurzeln werden bald schon Staatsanwälte, Richter und Polizisten sein.

“An die Familien müssen wir ran! Nur über die Familien kann Integration gelingen.” So Badr Mohammed. In Kursen ausgebildete und staatlich bezahlte Integrationslotsen, die Kenntnisse in Herkunftskultur und in Kultur der Bundesrepublik Deutschland haben, müssen die Familien zuhause aufsuchen. Männer müssen mit Männern reden. Die Frauen allein anzusprechen, reicht nicht. Die jungen Männer müssen von älteren Männern auf Pflichten und Regeln hingewiesen, zur Brust genommen werden. Flötentöne helfen nicht. Es gilt, klare Kante zu zeigen. Es gilt, einen Deal anzubieten: “Wir schaffen gemeinsam Erfolge, wenn du das und das einhältst. Wenn du zur Schule gehst. Ich werde aufpassen.”

viaJohannes Hampels Blog » Blog Archive » Holt sie raus aus dem kulturellen Nirwana!.